Der Fluss der Zeit

Das Fließen der Zeit. Der Fluss der Zeit in der Musik

© Dorothea Weber

Das Tempo, "der Fluss der Zeit" in der Musik, ist wie das Fließen eines Flusses, der gleichmäßig dahin strömt, aber durch Kurven, Verbreiterung oder Verengungen etc. seine Fließgeschwindigkeit den jeweiligen Gegebenheiten anpasst.

 

In der Musik ist ein Gleichmaß des Tempos ebenfalls erstrebenswert, aber nicht in dem mathematischen, maschinellen Gleichmaß des Metronoms, sondern in einem natürlichen und unseren Denkvorgängen (dem Erleben von Gegenwart 3-5 Sekunden, 2-3 Sekunden beträgt die durchschnittliche Motivdauer und Vergangenheit), unserem Herzschlag und der Atmung entsprechendem Erleben von der Zeit. Harmonische, rhythmische, metrische, melodische Ereignisse sowie Strukturen beeinflussen das Tempo.  Vier Sechzehntel sind in der Musik nie gleich – sie sind gleich notiert, aber sie werden nicht maschinenmäßig gleich gespielt. Es gibt immer Pulsation, Betonung, Gruppierungen und Gliederungen.

 

Unsere heutige Notation ist die beste Notenschrift, die wir haben. Aber sie versucht die lebendige Klangvorstellung in ein graphisches Raster zu pressen, bei dieser Übersetzung geht alles Lebendige, Kunstvolle verloren. 

 

Henri Bergson:

Temps durée (Dauer) und temps espace (Raum)  

Zeiterleben in der gelebten Dauer < – >  Zeitdarstellung im Raum auf dem Papier.

Die Zeit der Musik in der Dauer wird in ein räumliches Raster gepresst, dass das lebendige der Zeit nicht wiedergeben kann. 

 

In der lebendigen Musikvorstellung werden durch Phrasierung je nach Struktur oder Gestalten, groß- und kleingliedrig (1. Thema, 2. Thema, Durchführung oder achttaktiger Satz und achttaktige Periode, Motiv etc.), Zusammenhang und Sinngebung erst hergestellt. Die Sinngebung ist nicht gegeben, sondern der Analyse und der künstlerischen Phantasie gleichermaßen als Aufgabe aufgegeben. 

 

Harmonische Spannungen setzen den Fluss der Musik unter Strom und verändern dabei das Tempo.  Ein DDv>5 (Doppeldominante mit tiefalterierter Quinte) verlangt immer ein Verlangsamen des Tempos, ansonsten wird seine doch so interessante harmonische Spannung nivelliert, oder ganz ausgelöscht. Ein schnelles Wechseln von Harmonien im Takte nach vorheriger harmonischer Eintönigkeit (taktweiser Harmoniewechsel) verlangt fast immer eine Verlangsamung des Tempos. Harmoniewechsel müssen in der Wahrnehmung des Hörers ankommen. 

Dela Motte Zitat….

Die Höhepunkt Subdominante (spannungsloses Verweilen) möchte auf ihrem Höhepunkt verweilen – die Aussicht genießen (z.B. F. Sor Mozart Variationen) etc.

 

Melodische Bewegungen (lineare Energien) verlangen eine entsprechende Phrasierung (dreiklangsgebundene Melodien gehen in der Harmonie auf, hier ist keine lineare Energie bemerkbar. Aber Melodiebewegungen in Schritten (nicht Dreiklang gebunden) oder sogar mit Alterationen (also chromatische Bewegungen) setzen ihre ganze lineare Energie durch.

 

Rhythmische Phrasierung steht im Gegensatz zur melodischen, gesanglichen Phrasierung. 

Rhythmische Figuren/Gestalten werden durch Harmonien unter Strom gesetzt. Rhythmische Werte drängen vorwärts oder sind nach Bewegungsimpulsen Stauwerte, die Bewegung an die Wand fahren etc.

Ein Stück, wie das Präludium d-Moll von J. S. Bach besteht aus einer einheitlichen Figur, die durch harmonische Spannungen und herausgezögerter Auflösung unter Strom gesetzt wird. Hier können nicht alle Takte im gleichen Tempo gespielt werden, hier sind Tempo-Differenzierungen gefordert. Bach hat nie Ausführungszeichen geschrieben, er schrieb für gebildete Menschen. Einen Zeitgenossen, der nur spielt, was die Zeichen hergeben, und seine künstlerische Intelligenz nicht benutzt, konnte er sich wohl nicht vorstellen - das blieb unserem industriellen Zeitalter vorbehalten. 

Der Gott/das Maß des industriellen Zeitalters ist halt die Maschine.

 

Einfach nach Beethoven:

"Es gibt kein Gesetz in der Musik, das nicht durch ein höheres/anderes Gesetz außer Kraft gesetzt wird."

 

Die grundsätzliche Frage ist:

Steht der Mensch im Mittelpunkt oder ist Musik die Erfindung eines Automaten.

Was unterscheidet Lebendiges vom Toten?

 

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