Zitate

Auf dieser Seite finden Sie ein paar Anregungen, Zitate berühmter Musiker, Komponisten und Zeitgenossen zum Thema Interpretation.

Adorno, Ästhetische Theorie

„Das Werk an sich gibt es nicht; es muss erst werden."(2)

Das Werk ist dir nicht in den Noten gegeben, sondern es ist deiner musikalischen Fantasie aufgegeben.
Erst das Verständnis der melodischen, rhythmischen, metrischen und harmonischen Kräfte – der inneren Sinnbezüge – der Struktur lässt das Werk in deinem Kopf entstehen. Deine Interpretation macht es zum Werk!

 

„Die naive Musizierpraxis ist sich dieser Grundforderung kaum bewusst. Der Zusammenhang scheint ihr gegeben von der Komposition, folgt sie nur getreu der Notenfolge, so entrollt er sich von selbst…..

….Aufführungen die nur am Text entlang spielen.

Die individuellen Sinnbezüge, die im Text auf ihre Entdeckung warten, bleiben unartikuliert."(1) 

 

Die Interpretation die zum Text hinzutritt, macht diesen überhaupt erst zum Text.(2) 

(1) Zitat aus Denken Und Spielen Jürgen Uhde und Renate Wieland, Bärenreiter

(2) Adorno, Ästhetische Theorie, Suhrkamp


François Couperin (1668 – 1733)

Soweit der Weg von der Grammatik zur Deklamation ist,

so unendlich ist er von der Notenschrift zum guten musikalischen Vortrag.(3)

Wir notieren anders als wir spielen.(3)

François Couperin, 1717

(3) Jean-Claude Veilhan, Die Musik des Barock und ihre Regeln, Alphonse Leduc - Paris

Gustav Mahler (1860 – 1911)

Über das weitaus Wichtigere: über das Tempo und vollends die Gesamtauffassung und den Aufbau eines Werkes, lässt sich so nur verzweifelt wenig feststellen, denn hier handelt es sich um etwas Lebendiges, Fließendes, das nie, auch nur zweimal hintereinander, sich völlig gleich bleiben kam. Deshalb ist ja auch das Metronomisieren unzulänglich und fast wertlos, weil schon nach dem zweiten- Takte das Tempo ein anderes geworden sein muss, wenn das Werk nicht drehorgelmäßig, niederträchtig heruntergespielt wird.(4)

 

Gustav Mahler

Aus einem Gespräch von Sommer 1895.

(4) Gustav Mahler, Im eigenen Wort, Peter Schifferli Varlags AG „Die Arche" Zürich

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)

Anton Felix Schindler über Beethoven:

Was ich von Beethoven immer vortragen hörte, war mit wenigen Ausnahmen stehst frei allen Zwanges im Zeitmaße, ein Tempo Rubato im eigentlichen Sinne des Wortes, wie es Inhalt und Situation bedingte, ohne aber nur den leisesten Anklang an eine Karikatur zu haben.(5)

(5) Anton Felix Schindler 1789-1864

 

Beethoven:

100 nach Mälzel (Metronomangabe), doch kann dies nur von den ersten Takten gelten, denn die Empfindung hat auch ihren Takt, dieses ist aber nicht ganz in diesem Grade (100 nämlich) auszudrücken. 

Franz Liszt (1811 – 1886)

Notenschrift trotz mühevoller Gewissenhaftigkeit kann nie völlig genügen ... gewisse Charakteristiken

– unter ihnen die wichtigsten – können nie niedergeschrieben werden.

Franz Liszt, Gesammelte Schriften. Leipzig 1880

Heitor Villa-Lobos (1887 – 1959) & Artur Rubinstein

Heitor Villa-Lobos:

Wir sind beide Wilde! Auf pedantische Details geben wir nichts. Ich komponiere, und du spielst direkt aus dem Herzen, wir machen lebendige Musik, und das will ich in dem Werk ausdrücken. (7) Seite 322

 

Artur Rubinstein:

Man kann Musik nicht lernen, man kann nur das eigene individuelle Talent entfalten. (7) Seite 120

 

Meine Begabung als Interpret basiert hauptsächlich darauf, dass es mir immer um das Verständnis der Struktur einer Komposition geht. (7) Seite 323

(7) Artur Rubinstein, Mein glückliches Leben, S. Fischer

Richard Wagner (1813 – 1883)

Bei J. S. Bach finden wir endlich das Tempo allermeistens geradewegs gar nicht bezeichnet, was in echt musikalischen Sinne das allerwichtigste ist. Dieser nämlich sagte sich etwa: wer mein Thema, meine Figuration nicht versteht, deren Charakter und Ausdruck nicht herausfühlt, was soll dem eine italienische Tempobezeichnung sagen? (8)

(8) Richard Wagner, Über das Dirigieren 1869, aus Schriften der Münchener Zeit

 

In diesem Artikel beschreibt Wagner den Unterschied zwischen rhythmischer und gesanglicher Interpretation – die eine gewisse Flexibilität voraussetzt – die seiner Meinung nach viele Dirigenten seiner Zeit vermissen lassen!

Rhythmische und gesangliche Phrasierung sind für Wagner Antagonisten!


Carl Czerny (1791 – 1857)

Im Takt und im Rhythmus spielen... aber!

 

„Aber diesem unbeschadet, kommen sehr oft, fast in jeder Zeile, einzelne Noten oder Stellen vor, wo ein kleines, of kaum bemerkbares Zurückhalten oder Beschleunigen notwendig ist, um den Vortrag zu verschönern und das Interesse zu vermehren."

„Dieses teilweise Abweichen mit dem festen Halten des Zeitmaßes auf eine geschmackvolle und verständliche Art zu vereinigen, ist die grosse Kunst des guten Spielers. (9)"

C.§ 2-3 Von den Veränderungen des Zeitmasse


 

Czerny über Beethovens Klavierwerke

 

Diese Kompositionen enthalten oft auch viel Humoristisches, und erfordern, dass der Spieler bei deren Vortrag sich eine gewisse Laune und Freiheit erlaube. Diese Laune äußert sich vorzüglich durch die Anwendung eines willkürlichen Ritardando oder Accelerando, und durch kräftiges Markieren gewisser Noten.

C.§ 10 S. 60 Über den Vortrag leidenschaftlicher und charakteristischer  Kompositionen


(9) Carl Czerny, Von dem Vortrage, Breitkopf & Härtel Wiesbaden

 

Carl Czerny ist Schüler von Ludwig van Beethoven und Lehrer von Franz Liszt.


 

„Der rechtschaffene Musiker denkt: Es gilt zu spielen, „was da steht". Wer den Notentext wörtlich (oder besser: buchstäblich) realisiert, verwirklicht nach gängiger Auffassung das Komponierte „werkgetreu". Doch der Schein… trügt."


...Demnach muss der Ausführende nicht nur imstande sein, die Zeichen des Notentextes in der vom Komponisten gemeinten Bedeutung aufzufassen und zu realisieren; er muss außerdem lernen, den der jeweiligen Komposition angemessenen Spielraum seiner subjektiven Ausdrucksmöglichkeiten wahrzunehmen und in dem Vortrag einzubringen.


Die Persönlichkeit des Interpreten soll nicht – wie die eines musikalischen Hohenpriesters – hinter dem jeweiligen Werk und seiner Kunstoffenbarung verschwinden. Der Interpret wird nicht als Diener, sondern als eigenständiger und selbstbewusster Partner des Werkes betrachtet. 


Ein zentrales Postulat in Czerny's Vortragslehre ist „Varietas" (Mannigfaltigkeit, Nuancen Reichtum). Überhaupt muss jede, sich wiederholende Stelle das zweitemal mit einem anderen Vortrag ausgeführt werden, als das erstmal.

Ulrich Mahlert in: Die Vortragslehre von Carl Czerny, Zeitschrift Musica 1/1990

 



François Couperin (1668 – 1733)

Obwohl diese Präludien streng im Takt aufgezeichnet sind, hat sich indessen

eine Stilrichtung herausgebildet, die man nicht außer acht lassen darf.

Ich will mich näher erklären.

Das Präludium ist eine freie Komposition, bei der die Fantasie allen ihren Einfällen nachgibt. Aber da man ziemlich selten Genies findet, die fähig sind im Augenblick vollendet zu gestalten, müssen die, die sich dieser schematischen Präludien als Ersatz bedienen, sie in einer zwanglosen Manier spielen, ohne sich allzu sehr an den genauen Takt zu klammern, es sei denn, daß ich ausdrücklich das Wort: „im Takt“ gesetzt habe.

So kann man wagen auszusprechen, daß in vielen Dingen die Musik, (ähnlich wie die Dichtkunst), ihre Prosa und ihre Verse habe.

Einer der Gründe, daß ich diese Präludien in Takte eingeteilt habe, ist der, daß sıe auf diese Weise sowohl leichter zu lehren wie auch zu lernen sein werden.

Carl Philipp Emanuel Bach (1714 – 1788)

Im Takt und im Rhythmus spielen... aber!

 

„So kann man doch öfters die schönsten Fehler wieder den Takt mit Fleiß begehen, doch mit diesem Unterschied, dass wenn man alleine oder mit wenigen und zwar verständigen Personen spielt, solches dergestalt geschehen kann, daß man der ganzen Bewegung zuweilen einige Gewalt antut; die Begleitenden werden darüber, anstatt sich irren zu lassen, vielmehr aufmerksam werden, und in unsere Absichten einschlagen; dass aber, wenn man mit starker Begleitung, und zwar wenn selbige aus vermischten Personen von ungleicher Stärke bestehen, man bloß in seiner Stimme alleine wieder die Einteilung des Taktes eine Änderung vornehmen kann, indem die Hauptbewegung desselben genau gehalten werden muß.(10)"

(10) Carl Philipp Emanuel Bach, Versuch über die Wahre Art das Klavier zu spielen – Das dritte Hauptstück, Bereitkopf & Härtel Wiesbaden 1986

Die Musik des Barock und ihre Regeln

Inegale Noten

Die Inégalité ist dazu bestimm, ihnen (den Noten) mehr Grazie zu verleihen (Saint Lambert), etwas, das die Melodie verbindet und flüssiger macht. (Choquel)(11)

 

Das Rubato .....

gehört zu den charakteristischen Merkmalen der Musikinterpretation im 17. und 18. Jahrhundert.(11)

(11) Jean-Claude Veilhan, Die Musik des Barock und ihre Regeln, Alphonse Leduc - Paris

Kontinuität des Tempos

Bruno Walter

Dirigent und Assistent von Gustav Mahler

Ich möchte nochmals betonen, dass die Kontinuität des Tempos, auf die ich dringe, kein Element des Zwanges oder gar der metronomischen Starre enthalten darf. Ein Tempo, das immer richtig ist, weil es sich in fast unmerklichen Modifikationen dem wechselten Inhalt der Musik anfügt , wird lebendig und natürlich dahinströmen und niemals starr wirken können. Und gerade dieses natürliche Dahinströmen ist es, worauf ich ziele(12).  

(12) Bruno Walter, Von der Musik und vom musizieren, S. Fischer Verlag 

Pablo Casals & David Blum

„Die Kunst der Interpretation ist nicht zu spielen, was geschrieben ist".

Mit diesen Worten definierte Casals einen wesentlichen Grundsatz seines Musizierens. (12) S.87

 

Es war ein grundlegendes Ziel seines Unterrichtes, zu zeigen, wie der Interpret dahin gelangen kann, den ausdrucksmäßigen Sinn jeder Phrase zu erkennen und wie er diesen Ausdruck zur vollen Verwirklichung bringen kann, durch dynamische Vielfalt, rhythmische Geschmeidigkeit, Tonfarbe, Intonation. (12) S.35

(12) David Blum, Pablo Casals und die Kunst der Interpretation, Heinrichshofen's Verlag Wilhelmshaven

Hugo Riemann (1849-1919)

Das wirklich Genaue im Taktspielen z. B. nach dem Metronom) ist ohne lebendigen Ausdruck, maschinenmäßig, unmusikalisch. 

Hugo Riemann

Daniel Barenboim

Träger des Zusammenhangs

Es ist die Harmonie, die … bestimmt, ob das Tempo ein bisschen mehr Zeit braucht oder nicht, ob es nach vorne oder zurück gerichtet ist...

Dabei ist die Harmonie immer von den drei Elementen, die die tonale Musik tragen – Melodie, Harmonie, Rhythmus –, das stärkste, von Natur aus, die anderen Elemente gliedern sich ihr ein.

 

Zitate aus:

http://www.klassik-heute.de/4daction/www_infothek_text?id=216_vs

Interview mit Daniel Barenboim Christoph Schlüren [1.9.2000]

Intuition und gründliche Analyse

Einige Musiker befinden sich in dem Irrglauben, dass eine zu gründliche Analyse einer Komposition das Intuitive und Freie an ihrem Spiel zerstören könnte; sie verwechseln Wissen mit Rigidität und vergessen, dass rationales Begreifen nicht nur möglich, sondern absolut notwendig ist, wenn die Imagination frei schweifen können soll.

Daniel Barenboim, Klang ist Leben, Pantheon (Verlag) 
Kapitel: Freiheit des Denkens und Interpretation.
 

 

Der Partitur »treu« zu bleiben?

Der Partitur »treu« zu bleiben, ein Ausdruck, den man sehr oft hört, bedeutet viel mehr, als nur das, was auf dem Notenpapier steht, möglichst exakt in Klang umzusetzen. Unter den hier dargelegten Grundsätzen kann es so etwas wie absolute Treue gegenüber der Partitur überhaupt nicht geben. …

Daniel Barenboim, Klang ist Leben, Pantheon (Verlag) 
Kapitel: Freiheit des Denkens und Interpretation.
 

 

Musik entwickelt sich in der Zeit

und daher nach vorne. Doch während das Ohr dieser Progression zuhört, kann parallel dazu das erinnert werden, was bereits wahrgenommen wurde. Das Zuhören geschieht somit rückwärts oder, genauer gesagt, gleichzeitig, indem es Vergangenheit und Gegenwart bewusst macht.…

 

… Schlussfolgerung, dass exakte Wiederholung nicht möglich ist, weil nämlich die Zeit vorangeschritten ist, wodurch das erneute Ereignis, das Wiedervorkommen, in einen anderen Kontext eingefügt und von einer anderen Perspektive aus wahrgenommen wird…

 

…Tonartwechsel bringen das musikalische Material dazu, in bislang unerforschte Regionen vorzudringen. Wenn man die Tonalität, die Tonart eines Themas verändert, verändert man damit die dramatische Progression eines Werks…

Daniel Barenboim, Klang ist Leben, Pantheon (Verlag) 
Kapitel: Hören und Zuhören.